Sylts letzter Krabbenfischer
Das Netz geht raus und fällt hinab in die See. Zwei bis drei Meilen auf fünf bis zehn Metern Tiefe schleppen – durch die Priele im Wattenmeer. Hochholen, entleeren und zurück zum Anfang – wieder „aufdampfen“. Foyertief, Pandertief, Westerley und Irrtief Richtung Kampen: das sind die Reviere von Paul. 73 Jahre, Krabbenfischer und der letzte seiner Art auf Sylt.
Fischer war er eigentlich schon immer. 1942 in Schlesien geboren und ’45 als Flüchtling nach Sylt gekommen, ging Paul bereits in jungen Jahren den Lister Fischern zur Hand – und später dann in die Fischerlehre des Vaters. Mit 19 meldete er sich bei der Seefahrtschule an, erhielt bald das Steuermanns-Patent und wurde Kapitän der kleinen Hochseefischerei. Als 24jähriger zog es ihn gezwungenermaßen zur Seeüberwachung, wo er sieben Jahre als Steuermann und stellvertretender Bootsführer arbeitete. Ab 1975 war er dann in der Bundesdienststelle in List 22 Jahre lang für den Verpflegungseinkauf der Truppe verantwortlich.
Heute ist er fünf bis sechs Stunden pro Woche vor der Sylter Ostküste „auf kleiner Fahrt“, um Krabben zu fangen und im Lister Hafen zu verkaufen. An guten Tagen holt er bis zu zwei Körbe ein. „Frrrrrrrrrrische Krabben!“ hört man ihn dann rufen, wenn er an seinem kleinen Stand neben der Lister Tonnenhalle steht und die fangfrische Beute anpreist. Direkt nach dem Einholen noch an Bord gekocht, müssen die Käufer an Land die kleinen Krustentiere nur noch selber pulen. Nach etwa 51 hat man den Dreh raus. Wo gibt’s denn so etwas noch?
Zwei Körbe an guten Tagen: das war mal anders. Paul erinnert sich an einen bemerkenswerten Fang vor vielen Jahren – als er noch hauptberuflich mit dem Boot seines Vaters fischte: in einer Stunde 60 Kisten á 70 Pfund. Diese Zeiten sind heute vorbei. Sein kleiner Nebenerwerb ist viel mehr Therapie und Leidenschaft als leistungsgetrieben. Das überlässt er gerne den anderen. Pauls Devise: „Slow-Fishing“. Allein auf See, Erinnerungen an Ost- und Westgrönland, Island, die englische Westküste. Gedanken über die Familie – über das Leben. Der Blick auf die See und den Horizont ist für ihn immer auch der Blick nach innen.
0 Kommentare